Skulpturen aus Schnee und Eis
Überdimensionierte Katzen, ein riesiger Drache oder ein haushoher Lastwagen – Marcio Morais erschafft im beschaulichen Evolène faszinierende Skulpturen aus Schnee.
In der Vergänglichkeit seiner Werke liegt für den «Schneekünstler» Marcio Morais ein grosser Teil ihrer Faszination. Schnee ist für viele Menschen vor allem weich und flüchtig. Für den gebürtigen Franzosen Morais ist er der Baustoff, mit dem er seine Visionen real werden lässt. Zu seinem Handwerkszeug gehören neben der schweren Kettensäge verschiedene Schaufeln, Messer und Handsägen. Mit diesen modelliert Morais nicht nur frei stehende Skulpturen, sondern auch begehbare Objekte – Schneegalerien, wie er sie nennt. Gerne begleitet er Besucherinnen und Besucher in seine Iglus, um deren Reaktionen zu erleben. Die Begeisterung der Menschen für seine Werke motiviert ihn, immer neue Ideen auf den Hängen des Skigebiets Evolène umzusetzen.
Kunst oder Handwerk
Marcio Morais sieht sich selbst nicht als Künstler. Er ist der Meinung, dass jeder etwas mit seinen Händen erschaffen kann. Sein Aufstieg zum beachteten Schneeskulpteur begann entsprechend unspektakulär, nämlich eher zufällig und als Zeitvertreib während seines Jobs am Skilift von Arolla. Wenn wenig los war, nutzte er die Pausen, um die liegen gebliebenen Schneehaufen um sich herum zu kleinen Gegenständen und Skulpturen zu formen. Als die ersten Ski-Touristen seine Kreationen bemerkten und begeistert darauf reagierten, liess sich Morais immer neue, noch imposantere Objekte einfallen, die er dann nach Feierabend perfektionierte.
Mehr als ein Hobby
Nachdem seine Ski-Gäste bereits auf die Schneedesigns aufmerksam geworden waren, erkannten auch seine Arbeitgeber, die Betreiber der Bergbahnen, deren Potenzial. Seit letztem Jahr ist das Skulpturenbauen fester Bestandteil von Marcio Morais Arbeitsaufgaben. Pistenmaschinen helfen, die benötigten Schneeberge aufzuschütten, und anschliessend arbeitet Morais stundenweise, tagelang an seinen Bauwerken. Nach der Schicht am Skilift bleibt er gerne noch einen Moment und lässt hier den Tag ausklingen. «Die Ruhe, die sich abends über den Berg legt, das Licht der untergehenden Sonne – diese Momente sind einfach unbeschreiblich», schwärmt er. Das Innere der Skulpturen lädt dann – mit Kerzen und farbigen Lampen geschmückt und kuscheligen Lammfellen ausgelegt – zum Verweilen oder einem abendlichen Fondue-Plausch ein, ein einmaliges Erlebnis für viele der Besucherinnen und Besucher.
Kalte Kunst trifft einen Nerv
Aber nicht nur Marcios Gäste im beschaulichen Evolène sind fasziniert von den fantasievollen Gebilden, Formen und Körpern aus Schnee, immer mehr Menschen entdecken ihre Faszination für Schneeskulpturen. In Grindelwald können Interessierte von Dezember bis April Schneeskulpturenbau in einem Workshop erlernen und ihre Bauwerke anschliessend von einer «Fachjury» bewerten lassen. Die beiden Südtiroler Orte Innichen und St. Vigil erwarten im Januar bis zu 30 Schneebildhauerinnen und -bildhauer aus aller Welt zu einem internationalen Wettkampf und nur einen Monat später findet im deutschen Bernau, tief im Schwarzwald unterhalb des Feldbergs gelegen, die bereits dritte Ausgabe des dortigen Schneeskulpturen-Festivals statt. Draussen sein, mit den eigenen Händen etwas erschaffen und gemeinsam mit anderen an der frischen Luft die eigene Kreativität ausleben – Schneekunst trifft bei vielen Winterbegeisterten einfach einen Nerv und bietet eine willkommene Abwechslung vom Alltag.