David Heimer - Passionierter Handwerker mit Weitblick
Koch David Heimer bringt mit seinem Team im Zürcher Restaurant «Josef» die nordische Küche in den Kreis 4.
London, New York, Stockholm, Kopenhagen – David Heimer könnte wohl in jeder Kulinarik-Metropole der Welt arbeiten. Doch der junge Schwede hat Zürich gewählt, um seine Vision einer handwerklich unfehlbaren und raffinierten nordischen Küche zu perfektionieren. Heimer kocht seit 2020 als Küchenchef im Restaurant «Josef» unweit der Langstrasse und ist hier kein Unbekannter. Bereits 2011 stand er hier hinter dem Herd, damals noch als 20-jähriger Jungkoch unter Küchenchef Tobias Emmenegger. Anschliessend heuerte er für zwei Jahre bei seinem persönlichen Idol, dem Kultkoch Magnus Nilsson im «Fäviken» an, wo er nach eigenem Bekunden seine schwedische Seele als Koch entdeckte.
Wahlheimat Zürich
Doch die Sehnsucht nach der Schweiz war zu gross: Nach zwei Jahren in der Heimat kehrte Heimer nach einer ausgiebigen Hochzeitsreise durch Nordamerika nach Zürich zurück und übernahm im Auftrag von Gastronom Kaspar Fenkart und «Gamper»-Chef Marius Frehner die Küche des neuen Restaurants «Wermut» im Riffraff-Kino. Dort zeigte er direkt, was er aus den Jahren bei Nilsson mitgenommen hatte – die Freude an der Reduktion auf technisch höchstem Niveau. Nur gut ein Jahr später war es dann so weit: Er wechselte, für viele überraschend, zurück ins «Josef»-Team, wo sein persönliches Schweiz-Abenteuer 2011 begonnen hatte. Zurück an seiner alten Wirkungsstätte an der Josefstrasse, ist er – nun als Küchenchef – für das leibliche Wohl der «Josef»-Gäste verantwortlich und begeistert diese mit neuen Kreationen.
Die eigene Identität neu entdecken
Was in Schwedens hohem Norden begonnen hat, setzt Heimer im «Josef» nun noch konsequenter um: Die kreative Ausarbeitung seiner eigenen kulinarischen Handschrift setzt auf Fermentation, auf Räuchern und auf das anspruchsvolle Zusammenspiel starker Aromen. Unter Heimers Anweisungen wird in der kleinen «Josef»-Küche jeden Abend aufs Neue Saures, Bitteres und Salziges zu einem einmaligen Geschmackserlebnis kombiniert. Vieles, was man hier auf der Karte liest, hört sich ungewöhnlich an, macht definitiv neugierig und enttäuscht nie.
Teamwork am Feuer
Im «Josef» arbeitet Heimer eng mit seinem Souschef Lukas Zehnder zusammen. Zehnder ist dabei mehr als Heimers rechte Hand, die beiden sprechen dieselbe kulinarische Sprache und pushen sich gegenseitig als Partner in der Küche. Offenes Feuer, auf dem Grill zu braten und Raucharomen sind hier genauso elementar wie die erwähnte Säure fermentierter Gemüsesorten. Aktuell steht beispielsweise ein flambierter Stör aus der Schweiz mit Zitrusrisotto und geräucherter Beurre blanc auf der Karte. Neben Fisch und Krustentieren gehört Wild ebenso zu Heimers Handschrift. Als passionierter Jäger und Angler hat er schon als kleiner Junge den besonderen Geschmack wild lebender Tiere kennen und schätzen gelernt. Ob Hirsch, Reh oder Perlhuhn – wilde Köstlichkeiten aus dem Wald und von der Wiese finden sich fast das gesamte Jahr über auf der sich stetig wandelnden Karte im «Josef».
Der Wert guter Arbeit
Hinsichtlich der oft diskutierten Kostenrechnung in der Gastronomie bezieht Heimer immer wieder klar Stellung: «Um Produzenten und Mitarbeitende fair bezahlen zu können, müssten wir unsere Preise eigentlich um 20 % erhöhen.» Er ist überzeugt, dass man nur so wirklich nachhaltig wirtschaften und voll auf regionale und biologisch angebaute Lebensmittel setzen kann. Reiche Länder wie Schweden und die Schweiz sind als Hochlohnländer diesbezüglich in einer besonders heiklen Lage. Heimer verweist auf den aktuell akuten Fachkräftemangel, dessen Ursache er in den schlechten Arbeitsbedingungen der Gastrobranche sieht. Diese unbequeme Wahrheit wird von immer mehr jungen Gastronominnen und Gastronomen thematisiert: Das Ziel ist eine neue, ehrlichere Preispolitik. Was einige Gäste der ambitionierteren Zürcher Szenerestaurants, wie des «Josef» oder des «Gamper», als «zu teuer» wahrnehmen, sind unter dem Strich reale Preise, die einen wirklich nachhaltigen Wareneinkauf und faire Arbeitsbedingungen erst ermöglichen.
Konzentriert, frei und ruhig
Den Wert ehrlicher Arbeit verinnerlichte Heimer sehr früh: Schon als Kind packte David auf dem elterlichen Bauernhof in Zentralschweden mit an und verdiente sich sein Taschengeld mit Gartenarbeiten. Mit zehn Jahren stand er erstmals in der Hotelküche seines Onkels. Als Teenager arbeitete er in den Ferien als Aushilfe in Bars und Restaurants. Diese Erfahrungen prägten sein Verständnis von Arbeit als lohnender und befriedigender Tätigkeit und haben seinen Weg massgeblich mitbestimmt. Heimer ist ein Macher, der mit viel Energie und Begeisterung stets neue Wege sucht und diese dann auch konsequent geht. Für den Moment scheint er jedoch angekommen zu sein. Konzentriert, frei und ruhig begeistert er jeden Abend seine Gäste im «Josef» und ist dafür eines unserer GaultMillau-Talente 2022.